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Die unsichtbaren Lehrer
Die unsichtbaren Lehrer
Indianer und der Buddhismus haben mich immer wieder fasziniert – schon als Kind. Einerseits ist es wohl der spirituelle Hintergrund der buddhistischen Lehren, andererseits die Weisheit der Indianer, die mit Intuition und Spürsinn den Einklang mit der Natur fanden. Jeder von uns ist wohl auf der Suche – nach Erklärungen, Hilfestellungen, Antworten oder Wegen aus dem Labyrinth des Lebens und so könnte ich hier und heute viele Seiten füllen – mit diesen Wahrheiten. Manche finden ihren Sinn im Glauben, den eine Religion vorgibt. Andere wiederum ertrinken in ihrer Unfähigkeit, sich noch an einem Grashalm der Hoffnung festzuhalten. So möchte ich heute einfach meine Gedanken mit euch da draußen teilen, die ich mir zu den unsichtbaren Lehrern gemacht habe.
Jeder in unseren Breitengraden hat eine Schule besucht, und ist somit durch die Hände vieler menschlicher Lehrer gegangen. Die einen haben uns geprägt, indem sie uns mit Lob und Wertschätzung beschenkten. Andere wiederum haben in uns negative Emotionen ausgelöst, die schon ein kleines Wort – auch wenn es vielleicht anders gedacht war – aktivierte. Trotzdem sind wir dadurch gewachsen. Wir wollten vielleicht erst recht beweisen, dass hier Unrecht geschah, und haben tief in unseren Potentialen gegraben, uns angestrengt und sind dadurch immens weit gekommen – vielleicht weiter als durch unangebrachtes Lob. Manche sind sicher auch daran zerbrochen und haben anderswo Kraft geschöpft. Eine Religion, oder aber auch eine nicht anerkannte Sekte, können so manchem Verzweifelten auch Unterschlupf sein, und als unsichtbarer Lehrer fungieren. Und wenn wir genau hinschauen, ist das bei jedem etwas Anderes. Vielleicht ist dir das eine oder andere gar nicht bewusst und du erkennst Parallelen jetzt durch das Lesen meines Textes.
Eine der größten Lehrer der Menschheit sind wohl die Herausforderungen des Alltags. Tagtäglich sind wir gefordert, unser kluges Köpfchen zu aktivieren, zu agieren, zu lenken, zu verändern und zu entscheiden. Wusstest du, dass du auch dann entscheidest, wenn du gar keine Entscheidung triffst? Genau. Du hast dich dann mit dem, was bereits ist, begnügt und bleibst dort stehen, wo du eben gerade noch gegangen bist. Wir sprechen dabei auch oft von Glück im Unglück, wenn etwas gut ausgeht. Aber die besseren Lehrmeister sind die Ereignisse, die wir uns selbst nie ausgesucht hätten. Die Hürden, die zu Beginn unüberwindbar erscheinen, wie der Himalaya, den du durch Schnee und Eis besteigen musst. Wind und Wetter und sonstige Mächte scheinen sich dir in den Weg zu stellen, und das dagegen Ankämpfen und dem Stand halten, schwächt dich zuerst ungemein. Und doch gibt es gerade in diesen Momenten entweder Hilfe von außen, oder aber auch von innen. Irgendeine unsichtbare, magische Kraft lässt dich wie durch Zauberhand weiter machen, nicht einfach aufgeben, und dagegen arbeiten. Und dann, wenn du glaubst, es geht nicht mehr, dann kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Ein Stammbuchspruch, den diejenigen meiner Generation nur zu gut kennen. Das Licht zeigt sich in der Realität nicht unbedingt als Sonnenstrahl, sondern darin, dass sich deine Bemühungen plötzlich belohnt machen. Du erreichst das Ziel, abgekämpft, völlig erschöpft, aber mit einem Siegerlächeln. Und die neue Kraft in dir kommt nicht durch die Rast, die darauf folgt, sondern das Gefühl, einen großen Brocken Felsen mit eigener Hand auf die Seite geschoben zu haben. Ohne Hilfe, sondern durch Ausdauer, einen inneren Willen und den Glauben an dich selbst. Derlei Erlebnisse prägen sich in dir ein, lassen dich wachsen und brennen sich in deinen Geist, wie das Brandzeichen, das ein junges Fohlen bekommt, um es später wieder identifizieren zu können. Du konfrontierst dich mit so einem Ereignis mit dir selbst, und erlangst, je öfter du in ähnliche Situationen hineinmanövriert wirst, Mut und Vertrauen in das Leben.
Gute Lehrer und Lehrerinnen sind Menschen, mit denen du in engeren Beziehungen stehst. Partner zum Beispiel, die ganz anders gestrickt sind, als du, können dir viel abverlangen, dich fordern, dir Energie rauben. Trotzdem lernst du von diesen dir gegensätzlichen Menschen mehr, als von jenen, die sich in deiner Komfortzone befinden, und stets dasselbe wollen wie du. Auch mit ihnen kannst du wachsen, aber wenn du in Beziehungen scheiterst ist das zwar sehr verletzend und Liebenskummer fühlt sich sehr schmerzhaft an, aber über dich und das, was dir wichtig ist, nimmst du so viel mit, was du aus Büchern oder in der Schule nie lernen könntest. Wenn du es dann auch noch schaffst, dafür dankbar zu sein und letzten Endes dem anderen Menschen auch noch zu vergeben, dann bist du schneller gewachsen als ein Mammutbaum es je in dieser Zeit schaffen könnte.
Ich selbst liebe ja die Natur, und gerade deshalb fühle ich mich wohl auch den Indianern so nahe. Die 4 indianischen Gesetze habe ich schon vor Jahren in einem Buch entdeckt. Ich finde, dass sie in Zeiten des „nicht voran Kommens“ immer wieder erinnert werden sollten und daher hier nur kurz die 4 Aussagen – ohne Erklärungen. Einfach hier zusammengefasst:
- 1. Gesetz: „Die Person, die dir begegnet, ist die Richtige.“
- 2. Gesetz: „Das was passiert, ist das Einzige, was passieren konnte.“
- 3. Gesetz: „Jeder Moment, in dem etwas beginnt, ist der richtige Moment.“
- 4. Gesetz: „Was zu Ende ist, ist zu Ende.“
Wenn du dir diese 4 Sätze zu Gemüte führst, und darüber reflektierst, fällt dir auf, dass sie sehr beruhigend wirken können, wenn wir tief in einem Loch sitzen, mit uns hadern, unzufrieden sind, oder aber einen gewaltigen Schicksalsschlag einstecken mussten. Ich finde, die Gesetze haben so etwas Klares, Logisches, Nachvollziehbares. Wenn du sie liest, dann weißt du, dass alles genau so gedacht ist, und du musst dir keine Gedanken machen, ob du selbst etwas falsch gemacht hast. Jeder Weg hat seinen Sinn und seine eigenen Lehren. Und in Momenten des Verzweifelns sollten wir das annehmen was gerade ist, ein Ende akzeptieren und auf dem Weg weitergehen, zu dem es dich hinzieht, denn es gibt kein richtig oder falsch. Es ist ja immer dein Weg und somit kann daran nichts verkehrt sein.
Ich selbst habe in meinem Beruf täglich mit Lehrern und Lehrerinnen zu tun. Damit meine ich aber keineswegs meine Kolleg:innen. Meine Begleiter durch die Jahreszeiten sind meine Schülerinnen und Schüler. Täglich wachse ich durch und mit den Herausforderungen, die wir uns gegenseitig stellen. Und obwohl ich diesen Job schon über 20 Jahre praktiziere, gibt es immer wieder Momente, an denen ich erkenne, dass ich noch lange nicht ausgelernt habe. Gerne nehme ich von meinen Schülerinnen und Schülern an, denn sie sind auf einem ganz anderen Weg als ich es damals zu meiner Schulzeit war. Die Hürden auf ihrem Weg sind auch nicht dieselben wie meine, und ihre Denkweisen sind manchmal sonderbar anders – aber nur aus meiner Sicht. Die Welt hat sich ja weiter gedreht und ich sehe, dass die jungen Menschen, vieles, das ich gut kann, gar nicht können, dafür aber ganz andere Potentiale und Stärken mit bekommen, die man vielleicht gerade in diesen herausfordernden Zeiten mehr braucht, als ich mir je erträumt hätte. Und ich darf an ihren Gedanken teilhaben, mein Köpfchen anstrengen und drüber nachdenken, was davon in meinem Kopf einen Louping aktivert. Eine Achterbahn der Gefühle und des Umdenkens, die ich als Geschenk sehe. Somit bleibe ich nicht stehen und erfinde das Rad auch wieder neu. Herrlich.
Auch unterschiedliche Kulturen können den Horizont erweitern. Wenn du oft in andere Länder reist, dann weißt du, was ich meine. Aber oft musst du gar nicht so weit gehen. Vielleicht gibt es schon in deiner Nachbarschaft Menschen, die von fernen Ländern in unser Land gekommen sind, und mit uns leben wollen – sie bringen ihre eigenen Geschichten mit, die wiederum unsere Sichtweisen ändern können – wenn wir uns darauf einlassen.
Hast du ein Haustier? Arbeitest du mit Tieren? Dann lernst du auch von ihnen. Zum Beispiel den Umgang mit der Einsamkeit, oder wie du auch ohne Worte und nur durch Blicke verstanden werden kannst. So manche Überraschung kannst du hier ernten, wenn du dich mit deinem oder anderen Tieren befasst. Sie handeln instinktiv und das haben wir in den letzten Jahrzehnten wohl ziemlich versteckt gehalten mit unserer ständigen Rationalität. Du kannst dir hier einiges abschauen – starte mal mit dem spüren deiner Intuition. Sie weist dir neue und vor allem deine Wege.
Vor allem aber auch von älteren Menschen kannst du viel in Erfahrung bringen und lernen – schließlich haben sie vor dir vielleicht schon Fehler gemacht, die du nicht unbedingt selbst auch noch ausprobieren musst. Obwohl ich manchmal das Gefühl habe, dass der Mensch generell seine Fehler lieber selbst macht. Trotzdem könnten wir uns viel ersparen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Du siehst, dass die Lehrer deines Lebens nicht unbedingt in der Schule zu suchen sind, denn dort lernt man ja – so meinen viele – nichts für das Leben. Mach die Augen auf, höre genauer hin und achte auf die weisen Spuren zwischen den Zeilen. Dann entdeckst du das, was andere, weil unachtsam, nie voranbringen kann. Hab ich es zumindest geschafft, dir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern? Die freudvollen Ereignisse im Leben sind doch die schönsten Lehren. Geben sie doch Kraft, Mut und Energie, um weiter zu gehen – in die Richtung, in die uns der neue Erfahrungsschatz schieben mag.
Und vergiss nicht: Auch du bist Lehrer oder Vorbild für andere – mit deinen Erfahrungen, Aussagen, deinem Mut, dem Vertrauen, das du dem Leben schenkst und der Liebe, die du an andere weiter gibst. Alles richtig gemacht! Und jetzt bin ich auch schon am Ende. Die Schulglocke läutet. PAUSE. ☺
Hinweis: Um den Textfluss nicht zu stören wurde nicht ständig gegendert. Mit Lehrern meine ich sowohl männliche als auch weibliche Personen.